Hamburg

Im November 2007 ist das WALROSS des Akademischen Segler Vereins von Cuxhaven aus gestartet, Ziel: Peking und die Olympischen Sommerspiele. Die erste Etappe nach Gran Canaria bin ich damals mitgesegelt; dann ging es mit wechselnden Crews rund um die Welt, das Schiff nahm an der Atlantic Rallye for Cruisers (ARC) und dem berüchtigten Sydney-Hobart-Race teil und überwinterte in Neuseeland, bis wir Anfang 2010 zur Rückreise rund Kap Hoorn antraten. Gut zweieinhalb Jahre und 50.000 Seemeilen später soll dieses Projekt jetzt auch wieder in Cuxhaven zu Ende gehen – wir machen uns auf zum letzten langen Schlag. Mittsommar, den längsten Tag und die kürzeste Nacht des Jahres, feiern wir bei absoluter Windstille mitten auf dem Ozean, der Vollmond spiegelt sich hundertfach im glatten Wasser der langen Atlantikdünung, und während wir gemütlich in Richtung französische Küste motoren, geht um drei Uhr morgens schon wieder die Sonne auf.

Nach zwei Wochen stehen wir vor der Einfahrt zum Englischen Kanal und bestimmen St. Malo für unseren Landfall, unseren ersten Hafen auf europäischem Festland. Hier war bis zu seiner endgültigen Auflösung im Jahr 2003 der ehrwürdige Club der Kap Hoorniers beheimatet: Mitglied waren ausschließlich Kapitäne, Offiziere und Matrosen der Handelsmarine, die Kap Hoorn noch unter Segeln gerundet hatten. Auch wenn diese Zeit vorbei, das WALROSS kein Großsegler und die EUROPA kein Frachtschiff ist – irgendwie habe ich das Gefühl, hier willkommen zu sein. Dieses Gefühl verstärkt sich, als wir Helgoland und damit erstmals wieder deutsche Gewässer erreichen: Der Hafenmeister, viele Segler und einige Inselurlauber erkennen uns, gratulieren und wollen das WALROSS besichtigen. Und wir reservieren einen Tisch in der Hafenkneipe „Bunte Kuh“, nehmen unsere „Bierbibel“, das Liederbuch des ASV, zur Hand und sorgen eine lange Nacht lang dafür, dass uns hier niemand so schnell wieder vergisst.

Wie geplant laufen wir am 3. Juli um 15 Uhr in Cuxhaven ein. Unter den Salingen wehen bunt die Gastlandflaggen der in den letzten Jahren besuchten Länder, und wir haben einen 25 Meter langen Heimkehrwimpel in den Farben des ASV – rot, weiß und blau – ins Masttopp gehisst. An Land erkennen wir Jan und Sven, die auf das Dach des lokalen Vereinshauses geklettert sind und den großen ASV-Stander schwenken, entlang der Pier stehen Pressefotografen und Journalisten, auf dem Stegkopf ist eine Zapfanlage und ein Klavier aufgebaut, und unsere Vereinsmitglieder schmettern uns ein Begrüßungslied entgegen, während wir den letzten Anleger dieser Reise fahren: Wir sind wieder hier.

Mit freundlicher Unterstützung von Roche Diagnostics Deutschland.
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Azoren

Am Morgen des 3. Mai, einem Montag, stehen wir kurz vor der „Linie“, der Grenze zwischen Nord- und Südhalbkugel. Gutem Seemannsbrauch entsprechend müssen sich Matrosen, die zum ersten Mal von der einen auf die andere Seite segeln, der Äquatortaufe unterziehen. In vielen Jahren Seefahrt haben sich die abenteuerlichsten Rituale herausgebildet, mit denen ein bereits äquatorbefahrenes, als Neptun verkleidetes Crewmitglied seine Täuflinge symbolisch von ihren Sünden reinwäscht – innerlich wie äußerlich. Nicht alle finden unsere Zustimmung, aber zumindest dem feucht-fröhlichen Teil dieser Tradition möchten wir uns nicht entziehen. Unser Problem: Wir haben keinen Neptun, denn selbst unser Schiffer ist Äquator-unbefahren!

Die Lösung bringt ein „Taufautomat“: Unsere rote Pütz wird mit einem Neptun bemalt, mit Wasser befüllt, über dem Steuerrad aufgehängt und mit einer langen Leine versehen, die wir hinterherschleppen; nun kann Neptun selbst, der Gott der Meere, mit einer größeren Welle den Eimer zum Kippen bringen und den Steuermann mit einem Schwall Atlantikwasser taufen. Zur inneren Reinigung gibt es einen Schluck Hochprozentiges, versehen mit brasilianisch-feurigen Chilischoten – wir sind zufrieden, und in entsprechend guter Stimmung setze ich mich an den Bordrechner und beantworte Fragen für ein Interview im Diabetes-Journal (erschienen in Ausgabe 07/2010).

Mit der Südhalbkugel haben wir leider auch die Zone günstiger Winde verlassen: Nördlich des Äquators erwarten uns die berüchtigten Rossbreiten oder Mallungen, in denen der Wind oft für Wochen ausbleibt. Das WALROSS dreht sich im spiegelglatten Wasser mit flappenden Segeln auf der Stelle, und die Sonne brennt so unbarmherzig von oben auf uns herab, dass auch gelegentliches Baden keine Linderung schafft. Unter Deck herrschen über 40 Grad, und mit zunehmender Besorgnis stellen wir fest, dass wir nicht nur nicht vorankommen, sondern unser gesamtes Obst und Gemüse vergammelt – wir müssen schon nach wenigen Tagen das Meiste über Bord kippen. Dann beginnt der Wassermacher, mit dem wir Seewasser entsalzen, Probleme zu machen. Und zu guter letzt streikt auch mein Messgerät: Das blinkende Thermometer im Display zeigt an, dass die Umgebungstemperatur für eine zuverlässige Blutzuckermessung zu hoch ist. Zum ersten Mal kommt mein geliebtes Accu-Chek Mobile an seine Grenzen – ein anderes Gerät, das ich als Ersatz dabei habe, zeigt nur Fehlercode „E-1“ an und gibt den Geist auf. Zum ersten Mal seit Jahren bestimme ich meinen Blutzucker wieder mit Messstäbchen, Wattebausch und Farbpalette – zum Glück nur bis zur Abendkühle…

Drei Tage später setzt der Nordostpassat ein. Mit Etmalen von bis zu 200 Meilen rauschen wir über den atlantischen Ozean, genießen traumhaftes Segeln und lassen uns auch von der Tatsache, dass es gegen Ende nur noch Reis mit Ketchup zu essen gibt, nicht unterkriegen. Und dann tauchen sie auf: die Azoren! Obwohl es im Umkreis von tausend Meilen nichts als Wasser gibt sind wir plötzlich zurück in Europa, können per Handy nach hause telefonieren, bezahlen den Hafenmeister in Euro und das lang herbeigesehnte Doppel-Whopper-Menü mit EC-Karte – denn die Azoren gehören zu Portugal.

Leider haben wir kein Glück mit dem Wetter – das Azorenhoch scheint sich anderswo aufzuhalten. Zwei Wochen lang erkunden wir bei Wind und Regen die Inseln Sao Miguel, Santa Maria, Pico und Faial – die Sonne meldet sich erst im Hafen von Horta, dem berühmten Weltumseglertreff, zurück. Hier verewigen sich seit Jahrzehnten Segelcrews mit Pinsel und Farbe auf den Kaimauern; nach etwas Suchen finden wir das Logo von WALROSS 3, dem Vorgängerschiff des ASV, aus dem Jahr 1988! Wir versehen es mit einem neuen, knallroten Rahmen, um es vor der drohenden Übermalung durch andere zu schützen, und malen lediglich ein kurzes Update darunter. „Unser“ WALROSS 4-Logo pinseln wir dafür drei Tage später auf die noch jungfräuliche Kaimauer der neuen Marina von Penta Delgada – wer weiß, vielleicht haben wir damit auch hier eine neue Tradition gestartet?

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Valparaiso, Chile

Auf unserem Weg nach Norden komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wir erkunden die Fjorde und Gletscher Patagoniens, landen auf kleinen Inseln mit riesigen Pinguin- und Robbenkolonien, sehen Seeleoparden ihr Territorium und ihren Harem verteidigen und junge Albatrosse ihre ersten Flugversuche unternehmen. Um den Bug der EUROPA spielen Delfine, und wir begegnen einer Schule von Blauwalen: Mit bis zu 30 Metern Länge sind sie die größten Säugetiere der Erde. Kapitän Klaas lässt alle Maschinen stoppen, während die drei Kolosse in vielleicht hundert Metern Entfernung an uns vorüberziehen – in über 16 Jahren Seefahrt, sagt Klaas, hat er sie noch nie so nahe gesehen.

Ich  finde mich inzwischen immer besser an Bord zurecht: Während ich zu Anfang noch recht hilflos um die drei großen Masten mit ihren dreißig Segeln herumstand, kann ich inzwischen sogar die Trainees einweisen und einteilen, wenn Segel gesetzt, geborgen oder gebrasst werden sollen. Ich weiß wie man die Beiboote klarmacht und aussetzt, die Propellerwellen der beiden Hauptmaschinen fettet und wie die Waschmaschinen funktionieren, finde mich in der Schiffskombüse zurecht und habe gelernt, jede Nacht bis zu 14 Laibe Brot zu backen und dabei die Namen unserer Gäste auswendig zu lernen.

Unter ihnen sind auch zwei Typ-I-Diabetiker: Gary, ein Amerikaner, hat seit 40 Jahren Diabetes – und ist topfit! Er bewahrt seine Insulinvorräte für den Törn in einer Thermoskanne auf: einfach, aber effektiv, das werde ich mir merken. Johan, ein junger Holländer, ist dagegen ein Beispiel dafür, wie man mit seinem Diabetes NICHT umgehen sollte. Als ich ihn anspreche reagiert er unwirsch, ganz so als hätte ich ein wohlgehütetes Geheimnis aufgedeckt. Später erzählt mir die Bordärztin, dass Johan der eigentliche Grund für mein Kletterverbot ist: Er war schon auf einer früheren Tour dabei, hatte damals niemanden über seinen Diabetes informiert, und ist dann in den Rahen des Großmastes unterzuckert. Ich nehme mir vor, ihn aufmerksam zu beobachten.

Dann bitte ich Klaas, mir trotz schlechter Erfahrung das Klettern in der Takelage zu erlauben. Ich zeige ihm mein Accu-Chek Mobile, erkläre, dass ich jederzeit – zur Not auch oben im Mast – meinen Blutzucker kontrollieren kann, präsentiere meinen Vorrat an Müsliriegeln in meinen Ölzeugtaschen – und habe Erfolg! Nach kurzer Sicherheitseinweisung klettere ich bis ins Topp des Großmastes, genieße die herrliche Aussicht und beobachte, wie sich die EUROPA 40 Meter unter mir durch ein Meer klirrender Eisschollen in die nächste Bucht schiebt. Um uns herum lugen hier und dort ein paar Robben aus dem Wasser, in der Ferne steigt die Fontäne eines Wals auf, dann rasselt der Anker. Wahnsinn.

Die nächsten Wochen vergehen wie im Fluge. Zu den Aufgaben an und unter Deck gesellt sich jetzt noch die Arbeit in den Rahen – bei Wind und Wetter, ob Tag oder Nacht werde ich in die Masten gejagt, um Segel zu bergen, zu brassen und aufzutuchen. Deckhand auf einem Großsegler wie der EUROPA zu sein ist wahrlich ein Knochenjob, und den Muskelkater, der mich seit Ushuaia begleitet, werde ich sicher noch einige Tage länger spüren. Schon jetzt steht für mich fest: Ich habe noch nie in meinem Leben so hart gearbeitet. Aber ich freue mich, dass ich auch mit meiem Diabetes allen Anforderungen gerecht werden kann, messe – allerdings nur zum Spaß und um mir selbst zu beweisen, dass es geht – hoch oben auf der obersten Rah meinen Blutzucker (120 mg/dl – was will man mehr!) und genieße jeden Tag in vollen Zügen.

Als wir einen Monat später Valparaiso erreichen wird unsere Flotte mit militärischen Ehren empfangen: Die chilenische Marine begleitet uns mit Zerstörern, Schnellbooten und U-Booten, Feuerlöschboote jagen ein Spalier aus Wasserfontänen in die Luft, und am Kai steht bei jedem Anleger eine Militärkapelle parat, die sogar die holländische Nationalhymne geübt hat. Und ich singe genauso selbstverständlich mit, wie ich beim Segelbergen kurz vor der Hafeneinfahrt in den Großmast geklettert bin, um das schwere Tuch zu raffen. Als wir festgemacht haben boxt mir Ruud, mein Wachführer, im Vorbeigehen freundschaftlich in die Seite, bleibt dann stehen, dreht sich um, legt mir seine beiden Pranken auf die Schultern und lacht mich anerkennend an: „Well done, mate, well done!“. Ich bin Teil dieser Mannschaft geworden.

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Feuerland (Tierra del Fuego)

Nachdem Kap Hoorn gerundet und die Schlafreserven aus Buenos Aires aufgebraucht sind, holt mich die Realität in Form des Arbeitsalltags ein: Wir fahren wie auf dem WALROSS im schwedischen Wachsystem, also mit zwei Tageswachen à 6 und drei Nachtwachen à 4 Stunden. Aber der Unterschied könnte größer nicht sein: Während auf dem WALROSS zwischen Segelmanövern und Ruderwache immer auch Zeit zum rumlungern und ausruhen blieb, ist das Segeln auf der EUROPA zunächst fast nebensächlich, denn in den engen Kanälen Patagoniens fahren wir die meiste Zeit unter Maschine. Die Gäste gehen unter Anleitung von Kapitän und Steuermann Ruderwache und Ausguck und fahren die wenigen anstehenden Manöver – schließlich wollen sie alle etwas über das Segeln auf einem Windjammer lernen. Für die Crew wartet die eigentliche Arbeit dagegen an und unter Deck, und das rund um die Uhr.

Da in Valparaiso der jährliche Riggcheck auf uns wartet, muss zum Beispiel das gesamte stehende Gut gewartet und überholt werden – Wanten, Stagen, Fallen, kurz: viele hundert Meter Stahlseil, über 12 Kilometer Tauwerk zum Setzen und Bergen der Segel und unzählige Blöcke und Umlenkrollen, die meisten davon in luftiger Höhe. Da ich nach wie vor nicht alleine klettern darf, verbringe ich Tage damit, die riesigen, verrosteten Spannschrauben der Masten mit Drahtbürsten zu bearbeiten, zu fetten und neu zu streichen. Außerdem darf ich das Ankergeschirr entrosten und neu markieren, vorne im Bug, tief unter der Wasseroberfläche: dreihundert Meter Eisenkette, jedes Glied wiegt ein paar Kilo.

Nach dem Essen, einer schnellen Dusche und ein paar Stunden Schlaf warten dann abwechselnd eine oder zwei Nachtschichten, in denen sich alles um den Hotelbetrieb für die 50 zahlenden Bordgäste dreht. Die EUROPA wird jede Nacht einmal komplett durchgeputzt: Deckshaus, Salon, Lounge, Bibliothek, alle Gänge und Treppen, Toiletten und Duschen. Gleichzeitig muss Wäsche gewaschen, die Küche aufgeräumt, das Geschirr des vergangenen Tages abgewaschen, der Müll von 70 Personen sortiert, Brot gebacken und das Frühstück vorbereitet werden. Dazwischen ertönt immer mal wieder die Glocke: „All hands on deck!“ – ein Segel muss gesetzt, geborgen oder neu getrimmt werden, dann geht es zurück an Geschirrhandtuch, Putzlappen oder Backofen. Die kurzen Raucher- und Kaffeepausen der anderen nutze ich für schnelle Sprints zu meiner Koje, um meinen Blutzucker zu messen, der ziemliche Kapriolen schlägt – ich habe vom ersten Tag an einen tierischen Muskelkater und esse pro Mahlzeit so viele Kohlenhydrate wie sonst an einem ganzen Tag nicht.

In meiner Freiwache verbringe ich soviel Zeit wie möglich an Deck. Die EUROPA ist ein wahrhaft majestätisches Schiff, und wir segeln mit ihr durch eine der ursprünglichsten Landschaften der Erde: Patagonien. Über tiefliegenden Wolkenbändern glitzern die schneebedeckten Bergkuppen der Anden. Darunter sieht die schroffe, dunkel aufragende Küste mit ihren tief ins Landesinnere reichenden Fjorden ziemlich bedrohlich aus. Die karge Vegetation scheint fast ausschließlich aus Moosen und Flechten zu bestehen, wir werden von Albatrossen, Walen und Delfinschulen begrüßt – Menschen sehen wir keine.

Packeis treibt uns entgegen: Erst sind es nur einzelne Schollen, dann ein steter, sich langsam verdichtender Strom von glasklarem Gletschereis: Der doppelt stahlbeplankte Bug der EUROPA bahnt sich seinen Weg durch den Seno Garibaldi-Fjord. Als wir um die letzte Ecke biegen stoppt Kapitän Klaas die Maschine: Nur wenige hundert Meter vor uns ragt eine stahlblaue Wand aus Eis fünfzig Meter in die Höhe: Der grollend kalbende Garibaldi-Gletscher. Zwei Schlauchboote werden ausgesetzt, und mit je zehn Personen an Bord geht es zwischen hell aneinanderklirrenden Eisschollen hindurch zu einer tiefen Höhle im Fels. Bei heißem Grog und Lebkuchen genießen wir von dort den Blick zurück auf die EUROPA, während wir im Wasser spielende Robben beobachten. Dann geht es zurück an Bord, Kurs: Punta Arenas und die Magellanstraße.

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Kap Hoorn & Patagonien

Zwei Wochen später trifft das WALROSS in Buenos Aires ein, um uns wieder an Bord zu nehmen. Dieters Auge hat sich gut erholt, er freut sich, dass er weitersegeln darf. Und auch ich wollte von hier aus die südamerikanische Küste hinauf gen Rio segeln. Aber Pläne sind da, um geändert zu werden: Ich fliege zurück nach Ushuaia! Von dort aus werde ich im Auftrag der Segelzeitschrift YACHT noch einmal rund Kap Hoorn segeln – diesmal an Bord eines richtigen Windjammers! Ich habe auf der holländischen Dreimastbark EUROPA angeheuert – als „deckhand“. Im Rahmen der 200-Jahr-Feier zur südamerikanischen Unabhängigkeit nimmt sie an der „Regata Bicentenario“ teil und segelt mit acht weiteren Segelschulschiffen der südamerikanischen Marine rund um Südamerika. Die aktuelle Etappe führt via Kap Hoorn und die Magellanstraße nach Punta Arenas und Valparaiso.

Als ich in Ushuaia ankomme werde ich von Kapitän Klaas begrüßt: „Gute Presse können wir immer gebrauchen – Journalisten nicht!“ Er teilt mich der Backbordwache zu und erklärt der Crew, dass sie mich als einen der Ihren betrachten und in alle Wachen und Arbeiten integrieren sollen – mit einer Ausnahme: Als Diabetiker darf ich nicht in die Masten. Das tut weh: Das Aufentern und Arbeiten in den Rahen zählt zwar zu den härtesten Jobs an Bord eines Windjammers, aber sicher auch zu den einzigartigen Erlebnissen auf so einer Reise. Ich nehme mir vor, Kapitän Klaas zu gegebener Zeit noch einmal darauf anzusprechen – zunächst wartet an und unter Deck genug Neues und genug Arbeit auf mich.

Wir sind 16 Crew an Bord: Der Kapitän mit seiner Frau, Steuermann, Bootsmann, Küchenhilfe und Maschinist sowie je fünf Mann pro Wache – wobei „Mann“ nicht falsch zu verstehen ist: Die Hälfte der Crew ist weiblich. Dass die nächsten Wochen mit dieser doch recht kleinen Besatzung kein Urlaub werden ist mir klar. Dass das Segeln an sich den kleinsten Teil meiner Arbeit ausmachen wird dämmert mir, als kurz nach meiner Ankunft drei große Laster am Kai vorfahren: Sie bringen den Proviant für die nächsten Wochen. Wir bilden eine Menschenkette, und über Stunden wandern unzählige Paletten Cola und Bier, viele Kästen Wein, schwere Reis- und Mehlsäcke, zentnerweise Fleisch und Käse und viele Kisten Obst und Gemüse Hand über Hand in die riesigen Stauräume unter Deck.

Mit gehörigem Muskelkater sitze ich am Abend über der Gästeliste und lerne Namen und Gesichter auswendig. Jede Koje der EUROPA ist belegt: Insgesamt 50 Trainees wollen sich das in unserer Zeit einmalig gewordene Ereignis einer Kap Hoorn-Passage an Bord eines echten Windjammers nicht entgehen lassen. Und sie sollen wahrlich auf ihre Kosten kommen: Am 24. März 2010 rundet eine Armada von neun Großseglern bei strahlendem Sonnenschein den südlichsten Zipfel Amerikas. Kapitän, Mannschaft, Gäste, wir alle stehen an Deck und schauen ehrfürchtig auf über dreihundert prall gefüllte Segel, die majestätisch am gefürchtetsten Kap der Welt vorbeiziehen.

Tausende Meter unter uns liegen die Wracks ungezählter Großsegler – Schiffe wie die EUROPA, die den oft plötzlich aufziehenden Stürmen dieser Gegend nicht gewachsen waren. Kapitän Klaas wird auf einmal nervös: Hinter uns ziehen dunkle Wolken auf, weiße Schaumkronen jagen über steiler werdende Wellenkämme. ESMERALDA und LIBERTAD, die Segelschulschiffe Chiles und Argentiniens, sind bereits umgedreht, der Rest folgt ihnen. Ein paar schnelle Kommandos und der schwere Schiffsdiesel springt an, der Steuermann gibt volle Fahrt voraus und meine Crewkameraden bergen die Segel: Die EUROPA nimmt Kurs auf die geschützten Fjorde Patagoniens.

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Puerto Williams

Drei Wochen nach unserer ersten Rundung des Kap Hoorn stehe ich tatsächlich vor dem stählernen Albatross auf der Isla de Hornos. Einige hundert Meter entfernt dreht das WALROSS seine Kreise in der kleinen Ankerbucht.

Eigentlich sind wir auf dem Weg nach Buenos Aires – aber die neue Crew hat es sich nicht nehmen lassen, die gute Wetterlage für einen kurzen Abstecher nach Süden zu nutzen, um den Fels der Felsen selber in Augenschein zu nehmen. Wir machen ein Gruppenfoto vor der kleinen Inselkapelle, werden vom Leuchtturmwärter und seiner Frau begrüßt und lassen uns den obligatorischen Kap Hoorn-Stempel in die Pässe drücken. Dann wird es höchste Zeit für den Rückweg – die Gegend um Kap Hoorn ist bekannt für schnelle Wetterumschwünge, und unser kleines Schlauchboot hat bereits Mühe, gegen die hohen Wellen zurück zum Schiff zu kommen.

Drei Tage später kämpfen wir uns bei Sturmstärke tief gerefft durch die berüchtigte Le Maire Straße. Kurz vor Mitternacht hören wir unseren Steuermann laut aufschreien: Er ist im dunklen, nassen Vorschiff ausgerutscht und mit dem linken Auge in den Haken eines Kleiderbügels gefallen! Ein Teil des Augenlids ist abgerissen, es blutet entsetzlich, er kann nichts mehr sehen. Wir drehen bei, versuchen das Schiff trotz hoher Wellen möglichst ruhig zu halten, während Dieter einen ordentlichen Schluck Rum bekommt und unser Bordarzt sich an die Notoperation macht: 11 Stiche direkt über dem Augapfel!

Wir überlegen, den britischen Militärhafen auf den Falklandinseln anzulaufen – aber bis dahin sind es noch drei Tage gegenan. Der Schiffer fällt die einzig richtige Entscheidung: Es geht zurück nach Puerto Williams, dem südlichsten Yachthafen der Welt. Dort gibt es einen kleinen Sportflughafen. Über Satellitentelefon und mit Unterstützung der deutschen Botschaft organisieren wir eine Cessna, die Dieter und mich als Begleitperson nach Ushuaia ausfliegen wird. Von dort soll es direkt weiter ins deutsche Krankenhaus nach Buenos Aires gehen.

Während wir in Puerto Williams noch eine Flugtauglichkeitsbescheinigung vom lokalen Militärarzt einholen müssen komme ich ins Gespräch mit einem dänischen Segler-Ehepaar: Poul und Vibeke haben hier festgemacht um einen Maschinenschaden zu beheben. Sie warten seit Wochen auf Ersatzteile und müssen ihre Weltumsegelung jetzt unterbrechen, weil Vibeke Diabetikerin ist und ihre Vorräte an Insulin und Messstreifen zur Neige gehen! Wir vergleichen unsere Insulinart, unsere Tagesdosis und Vorratslisten – Ergebnis: Ich habe zwei Ersatzmessgeräte, ausreichend Testkassetten und genug Insulin dabei, um einen Teil abgeben zu können – genug, um Vibeke zumindest die amerikanische Westküste erreichen zu lassen. Während unsere Cessna schon zum Landeanflug ansetzt erkläre ich ihr schnell noch die Handhabung meines Accu-Chek Mobile – sie ist genauso begeistert von dem Gerät wie ich – und drücke ihr eine eilig gepackte Tüte mit Testkassetten und Insulinkartuschen in die Hand, dann hupt das Taxi.

Wenig später fliegen wir den unter uns liegenden Beagle-Kanal entlang, zur Linken liegen die südlichen Ausläufer Chiles, rechts glitzern die schneebedeckten Bergkuppen Feuerlands. Ich drehe mich im Cockpit der kleinen Sportmaschine um, werfe einen letzten Blick auf den kleinen Hafen von Puerto Williams und denke über die Zufälle des Lebens nach. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Diabetiker treffen? Und das hier, am Ende der Welt? Unter solchen Umständen? Und ich muss an die Worte des 70-jährigen Kommodore vom akademischen Segler-Verein Stettin denken. Als ich dort im Herbst 2008 mit meiner kleinen TADORNA einlief, mit kaputtem Motor, lecken Planken und vielen tausend Meilen Ostsee im Kielwasser, und ihm ein paar Tage später für seine bedingungslose Hilfe danke wollte, sagte er nur: „Every sailor needs a little help now and then. Help me by helping someone else.“

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Kap Hoorn (Ushuaia)

„Land in Sicht! Da ist Land!“ Dieter, unser Steuermann, hat es als erster bemerkt: Unter dem sich langsam lichtenden Morgennebel tauchen tatsächlich die Konturen der chilenischen Anden auf. Schon bald sehen wir sie klarer: Schneebedeckte Berge, deren steile Felswände senkrecht ins Meer fallen. Weiter südlich werden zerklüftete Gletscher-Ausläufer zu schmalen Fjorden, die tief ins Landesinnere führen. Und vor uns liegt Kap Hoorn. Vor zwei Tagen hat der Wind abgenommen, seit heute Nacht ist er ganz eingeschlafen. Unter Maschine nähern wir uns bei strahlendem Sonnenschein und bleierner See dem unter Seglern geführchtetsten Kap der Welt, passieren es in nur einer Meile Abstand auf exakt 56° Süd. Das soll Kap Hoorn sein?

Ich bin fast ein wenig enttäuscht, hatte mir das irgendwie aufregender vorgestellt. Andererseits: Wann hat man schon mal die Möglichkeit, diesem berühmten Felsen so nahe zu kommen? Die meisten Kap Hoorniers haben ihn ihr Lebtag nie gesehen, im Gegenteil: Sie waren froh den gefährlichen Klippen nicht zu nahe zu kommen. Wir dagegen können mit bloßem Auge den kleinen Leuchtturm erkennen, die chilenische Militärstation und sogar die berühmte Albatross-Statue, gewidmet den vielen tausend Seeleuten, die hier seit Magellans Zeiten ihr Leben ließen.

Zwei Tage später laufen wir in den Beagle Kanal ein, kurz vor Mitternacht fällt unser Anker in der Bucht von Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Noch etwas benommen klaren wir das Deck auf, ziehen unser schweres Ölzeug aus und finden uns zu einem „Einlaufbier“ im Cockpit zusammen. Hinter uns liegen 5500 Meilen Südpazifik, 31 Tage auf See, ohne Dusche, ohne Telefon, ohne lange Nächte in warmen Betten – aber auch ohne nennenswerte Unfälle oder Schäden am Schiff und, für mich am Wichtigsten, ohne eine einzige Unterzuckerung! Und ich habe Kap Hoorn gesehen.

Die längste und kritischste Etappe der Rückreise ist geschafft – aber vor uns liegen noch einmal rund 8000 Seemeilen über den Atlantik. Ich freue mich darauf und bin nach den Erfahrungen der letzten Wochen endgültig sicher, dass ich auch als Diabetiker frei und unabhängig leben – und segeln! – kann. Vorausgesetzt ich passe weiterhin so gut auf mich auf wie bisher. Selbst wenn ich „nur“ mit TADORNA unterwegs wäre, oder es nur 100 Meilen auf der Ostsee, 10 Meilen auf der Schlei oder eine auf dem Wannsee wäre, es ändert nichts an meiner Einstellung zum Segeln mit Diabetes: Eine Unterzuckerung auf See darf nicht sein.

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51°S 106°W

Eine Woche später, Position 51°S 106°W. „All hands on deck!“ tönt das scharfe Kommando des Schiffers durch den Niedergang. Meine Steuerbordwache hat sich gerade so gut es geht zwischen Sofa und Salontisch verkeilt, um zu essen. Dass die warme Mahlzeit bei diesem Sturm ausfallen würde war klar, aber wir haben noch nicht mal Zeit für eine Stulle gehabt, sind nach sechs Stunden Wache vollkommen durchgefroren. „Macht hinne – das Groß muss runter!“. Der Wind muss in den wenigen Minuten seit Wachwechsel nochmal ordentlich zugelegt haben.

Also los: den dicken Faserpelz wieder über die doppelte Lage lange Thermounterwäsche gezogen, zweites Paar Skisocken an, rein in die nassen Seestiefel und das tropfende Ölzeug, dazu Arbeitshandschuhe, Balaklava, Lifebelt und Rettungsweste. Bis wir in voller Montur zurück an Deck kommen, haben Sven und Nous auf dem Vorschiff bereits die orangene Sturmfock gesetzt, stehen am Mast und bemühen sich verzweifelt das Groß zu bergen. Seit Tagen segeln wir doppelt gerefft bei bis zu 50 Knoten Wind – aber das hier ist anders. Der Wind heult nicht mehr in der Takelage, er schreit und brüllt. Die Wellen rollen nicht mehr, sie brechen von achtern über das Schiff herein und schleudern das WALROSS ins nächste Wellental. Und beides, Wind und Wellen, scheinen von Sekunde zu Sekunde mehr zu werden.

Ein Blick auf die Winduhr bestätigt: 79 Knoten! Das ist jenseits von Orkanstärke. Der Sturm fegt die Gischt waagerecht über’s Deck, so dass die Vorschiffcrew trotz Decksbeleuchtung für Sekunden nicht mehr zu sehen ist – die beiden haben allein keine Chance. Ich drehe mich zum Schiffer um, der sich mit aller Kraft ins Steuerrad wirft und mir etwas zubrüllt. Obwohl ich nur zwei Meter vor ihm stehe höre ich kein Wort, aber ich habe verstanden: Ich klinke den Karabiner meiner Sicherungsleine ins obere Strecktau ein, übergebe Jan die Großschot und mache mich auf den Weg nach vorn. In dem Moment reißt das Großsegel in Fetzen. Ich sehe noch wie Dieter rückwärts durch’s Cockpit geworfen wird, irgendjemand brüllt ein Kommando – egal, ich muss zum Mast.

„– Achterliek gerissen — Rutscher klemmen — kann nicht mehr — Du weiter…“. Völlig außer Atem brüllt Sven mir seinen Rapport direkt ins Ohr, drückt mich gegen den Mast und auf den Großbaum hoch. Von hinten kommt Jan mit Zeisern und Reileine. Zu viert brauchen wir zwei Stunden, um die Reste des Großsegels zu bergen und festzuzurren. Zwischendurch stehe ich bis zur Hüfte im eiskalten Wasser, das reißend über’s Leedeck schießt, ich zittere vor Kälte, Anstrengung und Adrenalin im Blut – oder wegen einer drohenden Hypo? Ich gebe meinem Wachführer ein Zeichen, lasse mich durch den Niedergang nach unten fallen und ziehe mein Accu-Chek aus der Ölzeugtasche.

Wenn ich nur daran denke, jetzt mit einem „normalen“ Gerät meinen Blutzucker messen zu müssen: Meine Hände sind aufgerissen und verquollen, meine Finger steif vor Kälte, unter Deck ist es nass, kalt und stockfinster, und ich brauche beide Hände um mich einigermaßen festzuhalten. Jetzt eine kleine Plastikdose suchen und öffnen, einen von 50 empfindlichen Messstreifen herausholen und in die winzige Öffnung eines Messgerätes stecken? Womöglich noch kalibrieren? Dann das Gerät weglegen, um zu pieksen? Unmöglich. Mit dem Accu-Chek geht’s auch anders, heute sogar ohne Zuhilfenahme meiner lädierten Finger: Ich spanne die Stechhilfe mit dem Kinn, schiebe die Abdeckung mit den Zähnen zur Seite; das große, gut ablesbare Display leuchtet so hell, dass ich mühelos meine Fingerkuppen erkennen kann. Ein Piep signalisiert Messbereitschaft, und fünf Sekunden später folgt die Entwarnung: 79. Ich schiebe mir einen Müsliriegel zwischen die Zähne und das Accu-Chek zurück in die Ölzeugtasche, dann bin ich wieder an Deck.

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Südpazifik

Schon nach wenigen Tagen haben wir uns an unseren neuen Tagesrythmus gewöhnt. Wir fahren im sogenannten „schwedischen Wachsystem“: Steuerbord- und Backbordwache, bestehend aus je vier Mann, teilen sich den Tag, die Nacht wird in drei Vier-Stunden-Wachen aufgeteilt. Am härtesten ist die sogenannte „Hundewache“. Kurz vor Mitternacht weckt mich Sven: „Bastian, Wachwechsel. Wind 35 Knoten aus Nordost, Regen, 8 Grad – zieht Euch warm an!“. Über meiner Koje hat sich Kondenswasser gebildet, mein Schlafsack ist nass und auch die Matratze ist klamm – die Heizung ist ausgefallen. Ich knipse das Licht an und greife mein Accu-Chek: BZ 130, alles ok.

Ich messe meinen Blutzucker grundsätzlich vor und nach jedem Wachwechsel, während der längeren Tageswachen zur Sicherheit auch einmal zwischendurch und zusätzlich bei besonders anstrengenden Segelmaneuvern, insgesamt bis zu 10 Mal am Tag. Für die Wache stecke ich mein Messgerät in einen wasserdichten Beutel und zusammen mit einem Müsliriegel in die Außentasche meiner Öljacke: Auch an Deck habe ich mein Accu-Chek immer bei mir.

Wir kommen gut voran, bis zu 200 Seemeilen pro Tag. Das WALROSS segelt gerade bei viel Wind hervorragend, die Crew hat sich schnell eingespielt. Wenn der Wind zunimmt wird das Großsegel gerefft und die Genua eingerollt, an ihre Stelle tritt die kleinere Stagfock. Solche Segelwechsel müssen oft sehr zügig erfolgen und kosten viel Kraft. Um nicht in die Gefahr einer Unterzuckerung zu kommen halte ich meinen Spiegel während der Wachen bewusst bei 200. Dass ich meinen Blutzucker sogar am Steuerrad stehend bestimmen kann, verdanke ich meinem Accu-Chek: Ich messe im wahrsten Sinne des Wortes mit links, während ich mit der rechten Hand das 17-Meter-Schiff auf Kurs halte.

Gekocht wird im Wechsel, nach gut einer Woche übernehme ich für fünf Tage die Rolle des Smuts. Bei Wind und Welle zehn hungrige Segler zu versorgen ist eine echte Herausforderung: der kardanisch aufgehängte Ofen verpasst mir beim Brote backen so manche Verbrennung, mehrfach löst sich der große Suppentopf aus seiner Halterung und verteilt seinen Inhalt durch die Kombüse, Teller, Tassen, Besteck, nichts bleibt an seinem Platz. Beim Schneiden und Anbraten von Speck und Zwiebeln für das morgendliche Omelett habe ich hier unter Deck, wo einem der Horizont und die frische Luft fehlt, auch mit Seekrankheit zu kämpfen. Als es mich nach dem Abendessen erwischt – ich habe der Mahlzeit entsprechend bereits Insulin gespritzt, das natürlich weiter wirkt, auch wenn mein Magen jetzt wieder leer ist – muss ich mich zwingen, trotz Übelkeit Traubenzucker zu kauen und Cola zu trinken, und kontrolliere meinen Blutzucker im Viertelstundentakt.

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Auckland, Neuseeland

Als ich meinen Diabetes-Koffer packe liegt das WALROSS bereits in Neuseeland. Seit November 2007 ist es auf Weltumsegelung, war als einziges deutsches Schiff zu Gast bei den Olympischen Sommerspielen in China, hat erfolgreich an einer der härtesten Regatten der Welt, dem Sydney-Hobart-Race, teilgenommen, und wartet jetzt auf eine neue Crew, die es nach hause segeln soll. Wir sind eine recht bunt zusammengewürfelte, generationenübergreifende Gruppe von 10 Seglern, die sich Anfang des Jahres in Auckland einfindet: Unser „Küken“ Jan wird unterwegs seinen 20. Geburtstag feiern; Hans möchte sich mit 74 Jahren endlich seinen Jugendtraum vom Kap Hoorn erfüllen.

Nach zweiwöchigen Reparaturen und diversen Großeinkäufen ist das WALROSS am 18. Januar endlich seeklar. Vor dem Auslaufen geht es an die Sicherheitseinweisung: Der Schiffer erläutert Maßnahmen für den Seenotfall, erklärt jedem Crewmitglied seine persönliche Sicherheitsausrüstung (Automatik-Schwimmweste mit Lifebelt) und wiederholt ein ums andere Mal die wohl älteste, aber auch wichtigste Segler-Regel: „Eine Hand für den Mann, eine Hand für’s Schiff!“. Wer in einem ausgewachsenen Sturm über Bord geht, hat kaum eine Überlebenschance.

Dann bin ich an der Reihe, beschreibe meinen Crewkameraden woran sie eine Unterzuckerung erkennen können, was im Notfall zu tun ist, und zeige ihnen mein Accu-Chek Mobile. Ich habe noch nie ein Blutzuckermessgerät besessen, das so einfach zu bedienen ist: Stechhilfe spannen, pieksen, Abdeckplatte aufschieben und das Gerät mit der Unterseite kurz an den Finger halten – das war’s. Und alles mit einer Hand! Es dauert keine fünf Minuten, dann hat jeder einmal seinen eigenen Blutzucker bestimmt und nickt bestätigend – keine weiteren Fragen.

Endlich laufen wir aus. Bei strahlendem Sonnenschein segeln wir vor dem Wind aus dem Hauraki-Golf, Delfine umspielen den weißen WALROSS-Rumpf; als es dunkel wird hinterlassen ihre schnellen Bewegungen leuchtende Streifen im Wasser. Erst als gegen vier Uhr morgens die Sonne aufgeht drehen sie um: Die neuseeländische Küste ist nur noch ein dunkler Strich am Horizont, wir werden die nächsten vier Wochen kein Land mehr sehen. Dafür kreuzt gegen Mittag eine Schule Orcas unser Kielwasser, und schon bald tauchen die ersten Albatrosse auf, drehen neugierig den Kopf zur Seite und umfliegen in langen Parabeln unser Schiff; sie werden unsere treuen Wegbegleiter sein.

Mit freundlicher Unterstützung von Roche Diagnostics Deutschland.
Das Logbuch „Mit Accu-Chek Mobile rund Kap Hoorn“ erschien zuerst auf www.accu-chek-mobile.de