Hamburg

Im November 2007 ist das WALROSS des Akademischen Segler Vereins von Cuxhaven aus gestartet, Ziel: Peking und die Olympischen Sommerspiele. Die erste Etappe nach Gran Canaria bin ich damals mitgesegelt; dann ging es mit wechselnden Crews rund um die Welt, das Schiff nahm an der Atlantic Rallye for Cruisers (ARC) und dem berüchtigten Sydney-Hobart-Race teil und überwinterte in Neuseeland, bis wir Anfang 2010 zur Rückreise rund Kap Hoorn antraten. Gut zweieinhalb Jahre und 50.000 Seemeilen später soll dieses Projekt jetzt auch wieder in Cuxhaven zu Ende gehen – wir machen uns auf zum letzten langen Schlag. Mittsommar, den längsten Tag und die kürzeste Nacht des Jahres, feiern wir bei absoluter Windstille mitten auf dem Ozean, der Vollmond spiegelt sich hundertfach im glatten Wasser der langen Atlantikdünung, und während wir gemütlich in Richtung französische Küste motoren, geht um drei Uhr morgens schon wieder die Sonne auf.

Nach zwei Wochen stehen wir vor der Einfahrt zum Englischen Kanal und bestimmen St. Malo für unseren Landfall, unseren ersten Hafen auf europäischem Festland. Hier war bis zu seiner endgültigen Auflösung im Jahr 2003 der ehrwürdige Club der Kap Hoorniers beheimatet: Mitglied waren ausschließlich Kapitäne, Offiziere und Matrosen der Handelsmarine, die Kap Hoorn noch unter Segeln gerundet hatten. Auch wenn diese Zeit vorbei, das WALROSS kein Großsegler und die EUROPA kein Frachtschiff ist – irgendwie habe ich das Gefühl, hier willkommen zu sein. Dieses Gefühl verstärkt sich, als wir Helgoland und damit erstmals wieder deutsche Gewässer erreichen: Der Hafenmeister, viele Segler und einige Inselurlauber erkennen uns, gratulieren und wollen das WALROSS besichtigen. Und wir reservieren einen Tisch in der Hafenkneipe „Bunte Kuh“, nehmen unsere „Bierbibel“, das Liederbuch des ASV, zur Hand und sorgen eine lange Nacht lang dafür, dass uns hier niemand so schnell wieder vergisst.

Wie geplant laufen wir am 3. Juli um 15 Uhr in Cuxhaven ein. Unter den Salingen wehen bunt die Gastlandflaggen der in den letzten Jahren besuchten Länder, und wir haben einen 25 Meter langen Heimkehrwimpel in den Farben des ASV – rot, weiß und blau – ins Masttopp gehisst. An Land erkennen wir Jan und Sven, die auf das Dach des lokalen Vereinshauses geklettert sind und den großen ASV-Stander schwenken, entlang der Pier stehen Pressefotografen und Journalisten, auf dem Stegkopf ist eine Zapfanlage und ein Klavier aufgebaut, und unsere Vereinsmitglieder schmettern uns ein Begrüßungslied entgegen, während wir den letzten Anleger dieser Reise fahren: Wir sind wieder hier.

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Feuerland (Tierra del Fuego)

Nachdem Kap Hoorn gerundet und die Schlafreserven aus Buenos Aires aufgebraucht sind, holt mich die Realität in Form des Arbeitsalltags ein: Wir fahren wie auf dem WALROSS im schwedischen Wachsystem, also mit zwei Tageswachen à 6 und drei Nachtwachen à 4 Stunden. Aber der Unterschied könnte größer nicht sein: Während auf dem WALROSS zwischen Segelmanövern und Ruderwache immer auch Zeit zum rumlungern und ausruhen blieb, ist das Segeln auf der EUROPA zunächst fast nebensächlich, denn in den engen Kanälen Patagoniens fahren wir die meiste Zeit unter Maschine. Die Gäste gehen unter Anleitung von Kapitän und Steuermann Ruderwache und Ausguck und fahren die wenigen anstehenden Manöver – schließlich wollen sie alle etwas über das Segeln auf einem Windjammer lernen. Für die Crew wartet die eigentliche Arbeit dagegen an und unter Deck, und das rund um die Uhr.

Da in Valparaiso der jährliche Riggcheck auf uns wartet, muss zum Beispiel das gesamte stehende Gut gewartet und überholt werden – Wanten, Stagen, Fallen, kurz: viele hundert Meter Stahlseil, über 12 Kilometer Tauwerk zum Setzen und Bergen der Segel und unzählige Blöcke und Umlenkrollen, die meisten davon in luftiger Höhe. Da ich nach wie vor nicht alleine klettern darf, verbringe ich Tage damit, die riesigen, verrosteten Spannschrauben der Masten mit Drahtbürsten zu bearbeiten, zu fetten und neu zu streichen. Außerdem darf ich das Ankergeschirr entrosten und neu markieren, vorne im Bug, tief unter der Wasseroberfläche: dreihundert Meter Eisenkette, jedes Glied wiegt ein paar Kilo.

Nach dem Essen, einer schnellen Dusche und ein paar Stunden Schlaf warten dann abwechselnd eine oder zwei Nachtschichten, in denen sich alles um den Hotelbetrieb für die 50 zahlenden Bordgäste dreht. Die EUROPA wird jede Nacht einmal komplett durchgeputzt: Deckshaus, Salon, Lounge, Bibliothek, alle Gänge und Treppen, Toiletten und Duschen. Gleichzeitig muss Wäsche gewaschen, die Küche aufgeräumt, das Geschirr des vergangenen Tages abgewaschen, der Müll von 70 Personen sortiert, Brot gebacken und das Frühstück vorbereitet werden. Dazwischen ertönt immer mal wieder die Glocke: „All hands on deck!“ – ein Segel muss gesetzt, geborgen oder neu getrimmt werden, dann geht es zurück an Geschirrhandtuch, Putzlappen oder Backofen. Die kurzen Raucher- und Kaffeepausen der anderen nutze ich für schnelle Sprints zu meiner Koje, um meinen Blutzucker zu messen, der ziemliche Kapriolen schlägt – ich habe vom ersten Tag an einen tierischen Muskelkater und esse pro Mahlzeit so viele Kohlenhydrate wie sonst an einem ganzen Tag nicht.

In meiner Freiwache verbringe ich soviel Zeit wie möglich an Deck. Die EUROPA ist ein wahrhaft majestätisches Schiff, und wir segeln mit ihr durch eine der ursprünglichsten Landschaften der Erde: Patagonien. Über tiefliegenden Wolkenbändern glitzern die schneebedeckten Bergkuppen der Anden. Darunter sieht die schroffe, dunkel aufragende Küste mit ihren tief ins Landesinnere reichenden Fjorden ziemlich bedrohlich aus. Die karge Vegetation scheint fast ausschließlich aus Moosen und Flechten zu bestehen, wir werden von Albatrossen, Walen und Delfinschulen begrüßt – Menschen sehen wir keine.

Packeis treibt uns entgegen: Erst sind es nur einzelne Schollen, dann ein steter, sich langsam verdichtender Strom von glasklarem Gletschereis: Der doppelt stahlbeplankte Bug der EUROPA bahnt sich seinen Weg durch den Seno Garibaldi-Fjord. Als wir um die letzte Ecke biegen stoppt Kapitän Klaas die Maschine: Nur wenige hundert Meter vor uns ragt eine stahlblaue Wand aus Eis fünfzig Meter in die Höhe: Der grollend kalbende Garibaldi-Gletscher. Zwei Schlauchboote werden ausgesetzt, und mit je zehn Personen an Bord geht es zwischen hell aneinanderklirrenden Eisschollen hindurch zu einer tiefen Höhle im Fels. Bei heißem Grog und Lebkuchen genießen wir von dort den Blick zurück auf die EUROPA, während wir im Wasser spielende Robben beobachten. Dann geht es zurück an Bord, Kurs: Punta Arenas und die Magellanstraße.

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Kap Hoorn & Patagonien

Zwei Wochen später trifft das WALROSS in Buenos Aires ein, um uns wieder an Bord zu nehmen. Dieters Auge hat sich gut erholt, er freut sich, dass er weitersegeln darf. Und auch ich wollte von hier aus die südamerikanische Küste hinauf gen Rio segeln. Aber Pläne sind da, um geändert zu werden: Ich fliege zurück nach Ushuaia! Von dort aus werde ich im Auftrag der Segelzeitschrift YACHT noch einmal rund Kap Hoorn segeln – diesmal an Bord eines richtigen Windjammers! Ich habe auf der holländischen Dreimastbark EUROPA angeheuert – als „deckhand“. Im Rahmen der 200-Jahr-Feier zur südamerikanischen Unabhängigkeit nimmt sie an der „Regata Bicentenario“ teil und segelt mit acht weiteren Segelschulschiffen der südamerikanischen Marine rund um Südamerika. Die aktuelle Etappe führt via Kap Hoorn und die Magellanstraße nach Punta Arenas und Valparaiso.

Als ich in Ushuaia ankomme werde ich von Kapitän Klaas begrüßt: „Gute Presse können wir immer gebrauchen – Journalisten nicht!“ Er teilt mich der Backbordwache zu und erklärt der Crew, dass sie mich als einen der Ihren betrachten und in alle Wachen und Arbeiten integrieren sollen – mit einer Ausnahme: Als Diabetiker darf ich nicht in die Masten. Das tut weh: Das Aufentern und Arbeiten in den Rahen zählt zwar zu den härtesten Jobs an Bord eines Windjammers, aber sicher auch zu den einzigartigen Erlebnissen auf so einer Reise. Ich nehme mir vor, Kapitän Klaas zu gegebener Zeit noch einmal darauf anzusprechen – zunächst wartet an und unter Deck genug Neues und genug Arbeit auf mich.

Wir sind 16 Crew an Bord: Der Kapitän mit seiner Frau, Steuermann, Bootsmann, Küchenhilfe und Maschinist sowie je fünf Mann pro Wache – wobei „Mann“ nicht falsch zu verstehen ist: Die Hälfte der Crew ist weiblich. Dass die nächsten Wochen mit dieser doch recht kleinen Besatzung kein Urlaub werden ist mir klar. Dass das Segeln an sich den kleinsten Teil meiner Arbeit ausmachen wird dämmert mir, als kurz nach meiner Ankunft drei große Laster am Kai vorfahren: Sie bringen den Proviant für die nächsten Wochen. Wir bilden eine Menschenkette, und über Stunden wandern unzählige Paletten Cola und Bier, viele Kästen Wein, schwere Reis- und Mehlsäcke, zentnerweise Fleisch und Käse und viele Kisten Obst und Gemüse Hand über Hand in die riesigen Stauräume unter Deck.

Mit gehörigem Muskelkater sitze ich am Abend über der Gästeliste und lerne Namen und Gesichter auswendig. Jede Koje der EUROPA ist belegt: Insgesamt 50 Trainees wollen sich das in unserer Zeit einmalig gewordene Ereignis einer Kap Hoorn-Passage an Bord eines echten Windjammers nicht entgehen lassen. Und sie sollen wahrlich auf ihre Kosten kommen: Am 24. März 2010 rundet eine Armada von neun Großseglern bei strahlendem Sonnenschein den südlichsten Zipfel Amerikas. Kapitän, Mannschaft, Gäste, wir alle stehen an Deck und schauen ehrfürchtig auf über dreihundert prall gefüllte Segel, die majestätisch am gefürchtetsten Kap der Welt vorbeiziehen.

Tausende Meter unter uns liegen die Wracks ungezählter Großsegler – Schiffe wie die EUROPA, die den oft plötzlich aufziehenden Stürmen dieser Gegend nicht gewachsen waren. Kapitän Klaas wird auf einmal nervös: Hinter uns ziehen dunkle Wolken auf, weiße Schaumkronen jagen über steiler werdende Wellenkämme. ESMERALDA und LIBERTAD, die Segelschulschiffe Chiles und Argentiniens, sind bereits umgedreht, der Rest folgt ihnen. Ein paar schnelle Kommandos und der schwere Schiffsdiesel springt an, der Steuermann gibt volle Fahrt voraus und meine Crewkameraden bergen die Segel: Die EUROPA nimmt Kurs auf die geschützten Fjorde Patagoniens.

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Puerto Williams

Drei Wochen nach unserer ersten Rundung des Kap Hoorn stehe ich tatsächlich vor dem stählernen Albatross auf der Isla de Hornos. Einige hundert Meter entfernt dreht das WALROSS seine Kreise in der kleinen Ankerbucht.

Eigentlich sind wir auf dem Weg nach Buenos Aires – aber die neue Crew hat es sich nicht nehmen lassen, die gute Wetterlage für einen kurzen Abstecher nach Süden zu nutzen, um den Fels der Felsen selber in Augenschein zu nehmen. Wir machen ein Gruppenfoto vor der kleinen Inselkapelle, werden vom Leuchtturmwärter und seiner Frau begrüßt und lassen uns den obligatorischen Kap Hoorn-Stempel in die Pässe drücken. Dann wird es höchste Zeit für den Rückweg – die Gegend um Kap Hoorn ist bekannt für schnelle Wetterumschwünge, und unser kleines Schlauchboot hat bereits Mühe, gegen die hohen Wellen zurück zum Schiff zu kommen.

Drei Tage später kämpfen wir uns bei Sturmstärke tief gerefft durch die berüchtigte Le Maire Straße. Kurz vor Mitternacht hören wir unseren Steuermann laut aufschreien: Er ist im dunklen, nassen Vorschiff ausgerutscht und mit dem linken Auge in den Haken eines Kleiderbügels gefallen! Ein Teil des Augenlids ist abgerissen, es blutet entsetzlich, er kann nichts mehr sehen. Wir drehen bei, versuchen das Schiff trotz hoher Wellen möglichst ruhig zu halten, während Dieter einen ordentlichen Schluck Rum bekommt und unser Bordarzt sich an die Notoperation macht: 11 Stiche direkt über dem Augapfel!

Wir überlegen, den britischen Militärhafen auf den Falklandinseln anzulaufen – aber bis dahin sind es noch drei Tage gegenan. Der Schiffer fällt die einzig richtige Entscheidung: Es geht zurück nach Puerto Williams, dem südlichsten Yachthafen der Welt. Dort gibt es einen kleinen Sportflughafen. Über Satellitentelefon und mit Unterstützung der deutschen Botschaft organisieren wir eine Cessna, die Dieter und mich als Begleitperson nach Ushuaia ausfliegen wird. Von dort soll es direkt weiter ins deutsche Krankenhaus nach Buenos Aires gehen.

Während wir in Puerto Williams noch eine Flugtauglichkeitsbescheinigung vom lokalen Militärarzt einholen müssen komme ich ins Gespräch mit einem dänischen Segler-Ehepaar: Poul und Vibeke haben hier festgemacht um einen Maschinenschaden zu beheben. Sie warten seit Wochen auf Ersatzteile und müssen ihre Weltumsegelung jetzt unterbrechen, weil Vibeke Diabetikerin ist und ihre Vorräte an Insulin und Messstreifen zur Neige gehen! Wir vergleichen unsere Insulinart, unsere Tagesdosis und Vorratslisten – Ergebnis: Ich habe zwei Ersatzmessgeräte, ausreichend Testkassetten und genug Insulin dabei, um einen Teil abgeben zu können – genug, um Vibeke zumindest die amerikanische Westküste erreichen zu lassen. Während unsere Cessna schon zum Landeanflug ansetzt erkläre ich ihr schnell noch die Handhabung meines Accu-Chek Mobile – sie ist genauso begeistert von dem Gerät wie ich – und drücke ihr eine eilig gepackte Tüte mit Testkassetten und Insulinkartuschen in die Hand, dann hupt das Taxi.

Wenig später fliegen wir den unter uns liegenden Beagle-Kanal entlang, zur Linken liegen die südlichen Ausläufer Chiles, rechts glitzern die schneebedeckten Bergkuppen Feuerlands. Ich drehe mich im Cockpit der kleinen Sportmaschine um, werfe einen letzten Blick auf den kleinen Hafen von Puerto Williams und denke über die Zufälle des Lebens nach. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Diabetiker treffen? Und das hier, am Ende der Welt? Unter solchen Umständen? Und ich muss an die Worte des 70-jährigen Kommodore vom akademischen Segler-Verein Stettin denken. Als ich dort im Herbst 2008 mit meiner kleinen TADORNA einlief, mit kaputtem Motor, lecken Planken und vielen tausend Meilen Ostsee im Kielwasser, und ihm ein paar Tage später für seine bedingungslose Hilfe danke wollte, sagte er nur: „Every sailor needs a little help now and then. Help me by helping someone else.“

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Kap Hoorn (Ushuaia)

„Land in Sicht! Da ist Land!“ Dieter, unser Steuermann, hat es als erster bemerkt: Unter dem sich langsam lichtenden Morgennebel tauchen tatsächlich die Konturen der chilenischen Anden auf. Schon bald sehen wir sie klarer: Schneebedeckte Berge, deren steile Felswände senkrecht ins Meer fallen. Weiter südlich werden zerklüftete Gletscher-Ausläufer zu schmalen Fjorden, die tief ins Landesinnere führen. Und vor uns liegt Kap Hoorn. Vor zwei Tagen hat der Wind abgenommen, seit heute Nacht ist er ganz eingeschlafen. Unter Maschine nähern wir uns bei strahlendem Sonnenschein und bleierner See dem unter Seglern geführchtetsten Kap der Welt, passieren es in nur einer Meile Abstand auf exakt 56° Süd. Das soll Kap Hoorn sein?

Ich bin fast ein wenig enttäuscht, hatte mir das irgendwie aufregender vorgestellt. Andererseits: Wann hat man schon mal die Möglichkeit, diesem berühmten Felsen so nahe zu kommen? Die meisten Kap Hoorniers haben ihn ihr Lebtag nie gesehen, im Gegenteil: Sie waren froh den gefährlichen Klippen nicht zu nahe zu kommen. Wir dagegen können mit bloßem Auge den kleinen Leuchtturm erkennen, die chilenische Militärstation und sogar die berühmte Albatross-Statue, gewidmet den vielen tausend Seeleuten, die hier seit Magellans Zeiten ihr Leben ließen.

Zwei Tage später laufen wir in den Beagle Kanal ein, kurz vor Mitternacht fällt unser Anker in der Bucht von Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Noch etwas benommen klaren wir das Deck auf, ziehen unser schweres Ölzeug aus und finden uns zu einem „Einlaufbier“ im Cockpit zusammen. Hinter uns liegen 5500 Meilen Südpazifik, 31 Tage auf See, ohne Dusche, ohne Telefon, ohne lange Nächte in warmen Betten – aber auch ohne nennenswerte Unfälle oder Schäden am Schiff und, für mich am Wichtigsten, ohne eine einzige Unterzuckerung! Und ich habe Kap Hoorn gesehen.

Die längste und kritischste Etappe der Rückreise ist geschafft – aber vor uns liegen noch einmal rund 8000 Seemeilen über den Atlantik. Ich freue mich darauf und bin nach den Erfahrungen der letzten Wochen endgültig sicher, dass ich auch als Diabetiker frei und unabhängig leben – und segeln! – kann. Vorausgesetzt ich passe weiterhin so gut auf mich auf wie bisher. Selbst wenn ich „nur“ mit TADORNA unterwegs wäre, oder es nur 100 Meilen auf der Ostsee, 10 Meilen auf der Schlei oder eine auf dem Wannsee wäre, es ändert nichts an meiner Einstellung zum Segeln mit Diabetes: Eine Unterzuckerung auf See darf nicht sein.

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51°S 106°W

Eine Woche später, Position 51°S 106°W. „All hands on deck!“ tönt das scharfe Kommando des Schiffers durch den Niedergang. Meine Steuerbordwache hat sich gerade so gut es geht zwischen Sofa und Salontisch verkeilt, um zu essen. Dass die warme Mahlzeit bei diesem Sturm ausfallen würde war klar, aber wir haben noch nicht mal Zeit für eine Stulle gehabt, sind nach sechs Stunden Wache vollkommen durchgefroren. „Macht hinne – das Groß muss runter!“. Der Wind muss in den wenigen Minuten seit Wachwechsel nochmal ordentlich zugelegt haben.

Also los: den dicken Faserpelz wieder über die doppelte Lage lange Thermounterwäsche gezogen, zweites Paar Skisocken an, rein in die nassen Seestiefel und das tropfende Ölzeug, dazu Arbeitshandschuhe, Balaklava, Lifebelt und Rettungsweste. Bis wir in voller Montur zurück an Deck kommen, haben Sven und Nous auf dem Vorschiff bereits die orangene Sturmfock gesetzt, stehen am Mast und bemühen sich verzweifelt das Groß zu bergen. Seit Tagen segeln wir doppelt gerefft bei bis zu 50 Knoten Wind – aber das hier ist anders. Der Wind heult nicht mehr in der Takelage, er schreit und brüllt. Die Wellen rollen nicht mehr, sie brechen von achtern über das Schiff herein und schleudern das WALROSS ins nächste Wellental. Und beides, Wind und Wellen, scheinen von Sekunde zu Sekunde mehr zu werden.

Ein Blick auf die Winduhr bestätigt: 79 Knoten! Das ist jenseits von Orkanstärke. Der Sturm fegt die Gischt waagerecht über’s Deck, so dass die Vorschiffcrew trotz Decksbeleuchtung für Sekunden nicht mehr zu sehen ist – die beiden haben allein keine Chance. Ich drehe mich zum Schiffer um, der sich mit aller Kraft ins Steuerrad wirft und mir etwas zubrüllt. Obwohl ich nur zwei Meter vor ihm stehe höre ich kein Wort, aber ich habe verstanden: Ich klinke den Karabiner meiner Sicherungsleine ins obere Strecktau ein, übergebe Jan die Großschot und mache mich auf den Weg nach vorn. In dem Moment reißt das Großsegel in Fetzen. Ich sehe noch wie Dieter rückwärts durch’s Cockpit geworfen wird, irgendjemand brüllt ein Kommando – egal, ich muss zum Mast.

„– Achterliek gerissen — Rutscher klemmen — kann nicht mehr — Du weiter…“. Völlig außer Atem brüllt Sven mir seinen Rapport direkt ins Ohr, drückt mich gegen den Mast und auf den Großbaum hoch. Von hinten kommt Jan mit Zeisern und Reileine. Zu viert brauchen wir zwei Stunden, um die Reste des Großsegels zu bergen und festzuzurren. Zwischendurch stehe ich bis zur Hüfte im eiskalten Wasser, das reißend über’s Leedeck schießt, ich zittere vor Kälte, Anstrengung und Adrenalin im Blut – oder wegen einer drohenden Hypo? Ich gebe meinem Wachführer ein Zeichen, lasse mich durch den Niedergang nach unten fallen und ziehe mein Accu-Chek aus der Ölzeugtasche.

Wenn ich nur daran denke, jetzt mit einem „normalen“ Gerät meinen Blutzucker messen zu müssen: Meine Hände sind aufgerissen und verquollen, meine Finger steif vor Kälte, unter Deck ist es nass, kalt und stockfinster, und ich brauche beide Hände um mich einigermaßen festzuhalten. Jetzt eine kleine Plastikdose suchen und öffnen, einen von 50 empfindlichen Messstreifen herausholen und in die winzige Öffnung eines Messgerätes stecken? Womöglich noch kalibrieren? Dann das Gerät weglegen, um zu pieksen? Unmöglich. Mit dem Accu-Chek geht’s auch anders, heute sogar ohne Zuhilfenahme meiner lädierten Finger: Ich spanne die Stechhilfe mit dem Kinn, schiebe die Abdeckung mit den Zähnen zur Seite; das große, gut ablesbare Display leuchtet so hell, dass ich mühelos meine Fingerkuppen erkennen kann. Ein Piep signalisiert Messbereitschaft, und fünf Sekunden später folgt die Entwarnung: 79. Ich schiebe mir einen Müsliriegel zwischen die Zähne und das Accu-Chek zurück in die Ölzeugtasche, dann bin ich wieder an Deck.

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Südpazifik

Schon nach wenigen Tagen haben wir uns an unseren neuen Tagesrythmus gewöhnt. Wir fahren im sogenannten „schwedischen Wachsystem“: Steuerbord- und Backbordwache, bestehend aus je vier Mann, teilen sich den Tag, die Nacht wird in drei Vier-Stunden-Wachen aufgeteilt. Am härtesten ist die sogenannte „Hundewache“. Kurz vor Mitternacht weckt mich Sven: „Bastian, Wachwechsel. Wind 35 Knoten aus Nordost, Regen, 8 Grad – zieht Euch warm an!“. Über meiner Koje hat sich Kondenswasser gebildet, mein Schlafsack ist nass und auch die Matratze ist klamm – die Heizung ist ausgefallen. Ich knipse das Licht an und greife mein Accu-Chek: BZ 130, alles ok.

Ich messe meinen Blutzucker grundsätzlich vor und nach jedem Wachwechsel, während der längeren Tageswachen zur Sicherheit auch einmal zwischendurch und zusätzlich bei besonders anstrengenden Segelmaneuvern, insgesamt bis zu 10 Mal am Tag. Für die Wache stecke ich mein Messgerät in einen wasserdichten Beutel und zusammen mit einem Müsliriegel in die Außentasche meiner Öljacke: Auch an Deck habe ich mein Accu-Chek immer bei mir.

Wir kommen gut voran, bis zu 200 Seemeilen pro Tag. Das WALROSS segelt gerade bei viel Wind hervorragend, die Crew hat sich schnell eingespielt. Wenn der Wind zunimmt wird das Großsegel gerefft und die Genua eingerollt, an ihre Stelle tritt die kleinere Stagfock. Solche Segelwechsel müssen oft sehr zügig erfolgen und kosten viel Kraft. Um nicht in die Gefahr einer Unterzuckerung zu kommen halte ich meinen Spiegel während der Wachen bewusst bei 200. Dass ich meinen Blutzucker sogar am Steuerrad stehend bestimmen kann, verdanke ich meinem Accu-Chek: Ich messe im wahrsten Sinne des Wortes mit links, während ich mit der rechten Hand das 17-Meter-Schiff auf Kurs halte.

Gekocht wird im Wechsel, nach gut einer Woche übernehme ich für fünf Tage die Rolle des Smuts. Bei Wind und Welle zehn hungrige Segler zu versorgen ist eine echte Herausforderung: der kardanisch aufgehängte Ofen verpasst mir beim Brote backen so manche Verbrennung, mehrfach löst sich der große Suppentopf aus seiner Halterung und verteilt seinen Inhalt durch die Kombüse, Teller, Tassen, Besteck, nichts bleibt an seinem Platz. Beim Schneiden und Anbraten von Speck und Zwiebeln für das morgendliche Omelett habe ich hier unter Deck, wo einem der Horizont und die frische Luft fehlt, auch mit Seekrankheit zu kämpfen. Als es mich nach dem Abendessen erwischt – ich habe der Mahlzeit entsprechend bereits Insulin gespritzt, das natürlich weiter wirkt, auch wenn mein Magen jetzt wieder leer ist – muss ich mich zwingen, trotz Übelkeit Traubenzucker zu kauen und Cola zu trinken, und kontrolliere meinen Blutzucker im Viertelstundentakt.

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Auckland, Neuseeland

Als ich meinen Diabetes-Koffer packe liegt das WALROSS bereits in Neuseeland. Seit November 2007 ist es auf Weltumsegelung, war als einziges deutsches Schiff zu Gast bei den Olympischen Sommerspielen in China, hat erfolgreich an einer der härtesten Regatten der Welt, dem Sydney-Hobart-Race, teilgenommen, und wartet jetzt auf eine neue Crew, die es nach hause segeln soll. Wir sind eine recht bunt zusammengewürfelte, generationenübergreifende Gruppe von 10 Seglern, die sich Anfang des Jahres in Auckland einfindet: Unser „Küken“ Jan wird unterwegs seinen 20. Geburtstag feiern; Hans möchte sich mit 74 Jahren endlich seinen Jugendtraum vom Kap Hoorn erfüllen.

Nach zweiwöchigen Reparaturen und diversen Großeinkäufen ist das WALROSS am 18. Januar endlich seeklar. Vor dem Auslaufen geht es an die Sicherheitseinweisung: Der Schiffer erläutert Maßnahmen für den Seenotfall, erklärt jedem Crewmitglied seine persönliche Sicherheitsausrüstung (Automatik-Schwimmweste mit Lifebelt) und wiederholt ein ums andere Mal die wohl älteste, aber auch wichtigste Segler-Regel: „Eine Hand für den Mann, eine Hand für’s Schiff!“. Wer in einem ausgewachsenen Sturm über Bord geht, hat kaum eine Überlebenschance.

Dann bin ich an der Reihe, beschreibe meinen Crewkameraden woran sie eine Unterzuckerung erkennen können, was im Notfall zu tun ist, und zeige ihnen mein Accu-Chek Mobile. Ich habe noch nie ein Blutzuckermessgerät besessen, das so einfach zu bedienen ist: Stechhilfe spannen, pieksen, Abdeckplatte aufschieben und das Gerät mit der Unterseite kurz an den Finger halten – das war’s. Und alles mit einer Hand! Es dauert keine fünf Minuten, dann hat jeder einmal seinen eigenen Blutzucker bestimmt und nickt bestätigend – keine weiteren Fragen.

Endlich laufen wir aus. Bei strahlendem Sonnenschein segeln wir vor dem Wind aus dem Hauraki-Golf, Delfine umspielen den weißen WALROSS-Rumpf; als es dunkel wird hinterlassen ihre schnellen Bewegungen leuchtende Streifen im Wasser. Erst als gegen vier Uhr morgens die Sonne aufgeht drehen sie um: Die neuseeländische Küste ist nur noch ein dunkler Strich am Horizont, wir werden die nächsten vier Wochen kein Land mehr sehen. Dafür kreuzt gegen Mittag eine Schule Orcas unser Kielwasser, und schon bald tauchen die ersten Albatrosse auf, drehen neugierig den Kopf zur Seite und umfliegen in langen Parabeln unser Schiff; sie werden unsere treuen Wegbegleiter sein.

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Berlin

„Diabetes-Bedarf für 120 Tage auf See“. So steht es ganz oben auf dem vergilbten Zettel, anhand dessen ich schon zwei Mal meinen wasserdichten Diabetes-Koffer bestückt habe. Letztes Jahr bin ich mit meinem 50 Jahre alten Folkeboot TADORNA einhand bis nach St. Petersburg gesegelt, dreieinhalbtausend Meilen; diesen Sommer habe ich den nördlichsten Leuchtturm der Ostsee aufgesucht. Vor kurzem ist mein erstes Buch erschienen, ich halte Diavorträge und Lesungen, arbeite an einem Dokumentarfilm über den bottnischen Meerbusen, und TADORNA steht im Winterlager und wartet auf anstehende Reparaturen. Eigentlich könnte ich mich zurücklehnen und auf ein paar ruhige Festtage freuen.

Mir läuft ein leichter Schauer über den Rücken, die Zahlen verschwimmen vor meinen Augen – dann reiße ich mich zusammen, zücke den Bleistift und mache aus der zwei eine runde acht: 180 Tage. Ein halbes Jahr. 180 mal 5 macht neunhundert Messstreifen, plus Reserve, sowie mindestens drei Blutzucker-Messgeräte – falls eines unterwegs ausfällt oder verloren geht. 180 mal 30 macht 5400 Einheiten Langzeit-Insulin, und nochmal mindestens so viel normales für die Mahlzeiten. Dazu Pens, Stechhilfen, Nadeln, schnellwirkender Flüssigzucker und mehrere GlucaGen Hypo-Kits – man kann nie wissen.

Ich muss mich beeilen, denn schon in wenigen Tagen soll es losgehen. Dass ich tatsächlich dabei sein würde, weiß ich erst seit wenigen Tagen: Dabei als Stammcrew auf unserem Vereinsschiff WALROSS 4, für die Rückreise von Neuseeland nach Hamburg. Vor allem über meine Teilnahme an der ersten Etappe dieser Reise war vereinsintern viel diskutiert worden: Von Auckland nach Ushuaia, Feuerland, sind es rund 5500 Seemeilen (10.000 km), quer über den Südpazifik, durch die „Brüllenden 40er“ und „Schreienden 50er“, gefürchtet ob ihrer heftigen Stürme und gefährlich hohen Wellen – und am Ende Kap Hoorn, der Mount Everest der Segler. Und das mit einem Diabetiker an Bord?

Meine Diabetologin war zunächst ebenfalls alles andere als begeistert, und auch ich bin mir der Risiken durchaus bewusst: Wie wird mein Körper auf die extremen Anstrengungen, die niedrigen Temperaturen, den vom rotierenden Wachsystem bestimmten Tagesablauf, auf Schlafmangel und unregelmäßige Mahlzeiten reagieren? Was tun bei Seekrankheit? Wie schütze ich mich vor einer Unterzuckerung auf See? Und vor allem: Was, wenn doch etwas passiert? Unsere Route führt knapp nördlich der Eisberggrenze gen Westen, fernab jeder Insel oder Schifffahrtsroute und außer Reichweite jeglicher Hilfe von außen – wir werden auch im Notfall auf uns allein gestellt sein.

Den Ausschlag gab schließlich mein neues Accu-Chek Mobile. Ausgerüstet mit diesem Blutzucker-Messgerät konnte ich allen Seiten glaubhaft versichern, meinen Diabetes auch unter extremer Belastung und widrigen Bedingungen immer unter Kontrolle zu haben.

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