Hamburg

Im November 2007 ist das WALROSS des Akademischen Segler Vereins von Cuxhaven aus gestartet, Ziel: Peking und die Olympischen Sommerspiele. Die erste Etappe nach Gran Canaria bin ich damals mitgesegelt; dann ging es mit wechselnden Crews rund um die Welt, das Schiff nahm an der Atlantic Rallye for Cruisers (ARC) und dem berüchtigten Sydney-Hobart-Race teil und überwinterte in Neuseeland, bis wir Anfang 2010 zur Rückreise rund Kap Hoorn antraten. Gut zweieinhalb Jahre und 50.000 Seemeilen später soll dieses Projekt jetzt auch wieder in Cuxhaven zu Ende gehen – wir machen uns auf zum letzten langen Schlag. Mittsommar, den längsten Tag und die kürzeste Nacht des Jahres, feiern wir bei absoluter Windstille mitten auf dem Ozean, der Vollmond spiegelt sich hundertfach im glatten Wasser der langen Atlantikdünung, und während wir gemütlich in Richtung französische Küste motoren, geht um drei Uhr morgens schon wieder die Sonne auf.

Nach zwei Wochen stehen wir vor der Einfahrt zum Englischen Kanal und bestimmen St. Malo für unseren Landfall, unseren ersten Hafen auf europäischem Festland. Hier war bis zu seiner endgültigen Auflösung im Jahr 2003 der ehrwürdige Club der Kap Hoorniers beheimatet: Mitglied waren ausschließlich Kapitäne, Offiziere und Matrosen der Handelsmarine, die Kap Hoorn noch unter Segeln gerundet hatten. Auch wenn diese Zeit vorbei, das WALROSS kein Großsegler und die EUROPA kein Frachtschiff ist – irgendwie habe ich das Gefühl, hier willkommen zu sein. Dieses Gefühl verstärkt sich, als wir Helgoland und damit erstmals wieder deutsche Gewässer erreichen: Der Hafenmeister, viele Segler und einige Inselurlauber erkennen uns, gratulieren und wollen das WALROSS besichtigen. Und wir reservieren einen Tisch in der Hafenkneipe „Bunte Kuh“, nehmen unsere „Bierbibel“, das Liederbuch des ASV, zur Hand und sorgen eine lange Nacht lang dafür, dass uns hier niemand so schnell wieder vergisst.

Wie geplant laufen wir am 3. Juli um 15 Uhr in Cuxhaven ein. Unter den Salingen wehen bunt die Gastlandflaggen der in den letzten Jahren besuchten Länder, und wir haben einen 25 Meter langen Heimkehrwimpel in den Farben des ASV – rot, weiß und blau – ins Masttopp gehisst. An Land erkennen wir Jan und Sven, die auf das Dach des lokalen Vereinshauses geklettert sind und den großen ASV-Stander schwenken, entlang der Pier stehen Pressefotografen und Journalisten, auf dem Stegkopf ist eine Zapfanlage und ein Klavier aufgebaut, und unsere Vereinsmitglieder schmettern uns ein Begrüßungslied entgegen, während wir den letzten Anleger dieser Reise fahren: Wir sind wieder hier.

Mit freundlicher Unterstützung von Roche Diagnostics Deutschland.
Das Logbuch „Mit Accu-Chek Mobile rund Kap Hoorn“ erschien zuerst auf www.accu-chek-mobile.de

Azoren

Am Morgen des 3. Mai, einem Montag, stehen wir kurz vor der „Linie“, der Grenze zwischen Nord- und Südhalbkugel. Gutem Seemannsbrauch entsprechend müssen sich Matrosen, die zum ersten Mal von der einen auf die andere Seite segeln, der Äquatortaufe unterziehen. In vielen Jahren Seefahrt haben sich die abenteuerlichsten Rituale herausgebildet, mit denen ein bereits äquatorbefahrenes, als Neptun verkleidetes Crewmitglied seine Täuflinge symbolisch von ihren Sünden reinwäscht – innerlich wie äußerlich. Nicht alle finden unsere Zustimmung, aber zumindest dem feucht-fröhlichen Teil dieser Tradition möchten wir uns nicht entziehen. Unser Problem: Wir haben keinen Neptun, denn selbst unser Schiffer ist Äquator-unbefahren!

Die Lösung bringt ein „Taufautomat“: Unsere rote Pütz wird mit einem Neptun bemalt, mit Wasser befüllt, über dem Steuerrad aufgehängt und mit einer langen Leine versehen, die wir hinterherschleppen; nun kann Neptun selbst, der Gott der Meere, mit einer größeren Welle den Eimer zum Kippen bringen und den Steuermann mit einem Schwall Atlantikwasser taufen. Zur inneren Reinigung gibt es einen Schluck Hochprozentiges, versehen mit brasilianisch-feurigen Chilischoten – wir sind zufrieden, und in entsprechend guter Stimmung setze ich mich an den Bordrechner und beantworte Fragen für ein Interview im Diabetes-Journal (erschienen in Ausgabe 07/2010).

Mit der Südhalbkugel haben wir leider auch die Zone günstiger Winde verlassen: Nördlich des Äquators erwarten uns die berüchtigten Rossbreiten oder Mallungen, in denen der Wind oft für Wochen ausbleibt. Das WALROSS dreht sich im spiegelglatten Wasser mit flappenden Segeln auf der Stelle, und die Sonne brennt so unbarmherzig von oben auf uns herab, dass auch gelegentliches Baden keine Linderung schafft. Unter Deck herrschen über 40 Grad, und mit zunehmender Besorgnis stellen wir fest, dass wir nicht nur nicht vorankommen, sondern unser gesamtes Obst und Gemüse vergammelt – wir müssen schon nach wenigen Tagen das Meiste über Bord kippen. Dann beginnt der Wassermacher, mit dem wir Seewasser entsalzen, Probleme zu machen. Und zu guter letzt streikt auch mein Messgerät: Das blinkende Thermometer im Display zeigt an, dass die Umgebungstemperatur für eine zuverlässige Blutzuckermessung zu hoch ist. Zum ersten Mal kommt mein geliebtes Accu-Chek Mobile an seine Grenzen – ein anderes Gerät, das ich als Ersatz dabei habe, zeigt nur Fehlercode „E-1“ an und gibt den Geist auf. Zum ersten Mal seit Jahren bestimme ich meinen Blutzucker wieder mit Messstäbchen, Wattebausch und Farbpalette – zum Glück nur bis zur Abendkühle…

Drei Tage später setzt der Nordostpassat ein. Mit Etmalen von bis zu 200 Meilen rauschen wir über den atlantischen Ozean, genießen traumhaftes Segeln und lassen uns auch von der Tatsache, dass es gegen Ende nur noch Reis mit Ketchup zu essen gibt, nicht unterkriegen. Und dann tauchen sie auf: die Azoren! Obwohl es im Umkreis von tausend Meilen nichts als Wasser gibt sind wir plötzlich zurück in Europa, können per Handy nach hause telefonieren, bezahlen den Hafenmeister in Euro und das lang herbeigesehnte Doppel-Whopper-Menü mit EC-Karte – denn die Azoren gehören zu Portugal.

Leider haben wir kein Glück mit dem Wetter – das Azorenhoch scheint sich anderswo aufzuhalten. Zwei Wochen lang erkunden wir bei Wind und Regen die Inseln Sao Miguel, Santa Maria, Pico und Faial – die Sonne meldet sich erst im Hafen von Horta, dem berühmten Weltumseglertreff, zurück. Hier verewigen sich seit Jahrzehnten Segelcrews mit Pinsel und Farbe auf den Kaimauern; nach etwas Suchen finden wir das Logo von WALROSS 3, dem Vorgängerschiff des ASV, aus dem Jahr 1988! Wir versehen es mit einem neuen, knallroten Rahmen, um es vor der drohenden Übermalung durch andere zu schützen, und malen lediglich ein kurzes Update darunter. „Unser“ WALROSS 4-Logo pinseln wir dafür drei Tage später auf die noch jungfräuliche Kaimauer der neuen Marina von Penta Delgada – wer weiß, vielleicht haben wir damit auch hier eine neue Tradition gestartet?

Mit freundlicher Unterstützung von Roche Diagnostics Deutschland.
Das Logbuch „Mit Accu-Chek Mobile rund Kap Hoorn“ erschien zuerst auf www.accu-chek-mobile.de