Azoren

Am Morgen des 3. Mai, einem Montag, stehen wir kurz vor der „Linie“, der Grenze zwischen Nord- und Südhalbkugel. Gutem Seemannsbrauch entsprechend müssen sich Matrosen, die zum ersten Mal von der einen auf die andere Seite segeln, der Äquatortaufe unterziehen. In vielen Jahren Seefahrt haben sich die abenteuerlichsten Rituale herausgebildet, mit denen ein bereits äquatorbefahrenes, als Neptun verkleidetes Crewmitglied seine Täuflinge symbolisch von ihren Sünden reinwäscht – innerlich wie äußerlich. Nicht alle finden unsere Zustimmung, aber zumindest dem feucht-fröhlichen Teil dieser Tradition möchten wir uns nicht entziehen. Unser Problem: Wir haben keinen Neptun, denn selbst unser Schiffer ist Äquator-unbefahren!

Die Lösung bringt ein „Taufautomat“: Unsere rote Pütz wird mit einem Neptun bemalt, mit Wasser befüllt, über dem Steuerrad aufgehängt und mit einer langen Leine versehen, die wir hinterherschleppen; nun kann Neptun selbst, der Gott der Meere, mit einer größeren Welle den Eimer zum Kippen bringen und den Steuermann mit einem Schwall Atlantikwasser taufen. Zur inneren Reinigung gibt es einen Schluck Hochprozentiges, versehen mit brasilianisch-feurigen Chilischoten – wir sind zufrieden, und in entsprechend guter Stimmung setze ich mich an den Bordrechner und beantworte Fragen für ein Interview im Diabetes-Journal (erschienen in Ausgabe 07/2010).

Mit der Südhalbkugel haben wir leider auch die Zone günstiger Winde verlassen: Nördlich des Äquators erwarten uns die berüchtigten Rossbreiten oder Mallungen, in denen der Wind oft für Wochen ausbleibt. Das WALROSS dreht sich im spiegelglatten Wasser mit flappenden Segeln auf der Stelle, und die Sonne brennt so unbarmherzig von oben auf uns herab, dass auch gelegentliches Baden keine Linderung schafft. Unter Deck herrschen über 40 Grad, und mit zunehmender Besorgnis stellen wir fest, dass wir nicht nur nicht vorankommen, sondern unser gesamtes Obst und Gemüse vergammelt – wir müssen schon nach wenigen Tagen das Meiste über Bord kippen. Dann beginnt der Wassermacher, mit dem wir Seewasser entsalzen, Probleme zu machen. Und zu guter letzt streikt auch mein Messgerät: Das blinkende Thermometer im Display zeigt an, dass die Umgebungstemperatur für eine zuverlässige Blutzuckermessung zu hoch ist. Zum ersten Mal kommt mein geliebtes Accu-Chek Mobile an seine Grenzen – ein anderes Gerät, das ich als Ersatz dabei habe, zeigt nur Fehlercode „E-1“ an und gibt den Geist auf. Zum ersten Mal seit Jahren bestimme ich meinen Blutzucker wieder mit Messstäbchen, Wattebausch und Farbpalette – zum Glück nur bis zur Abendkühle…

Drei Tage später setzt der Nordostpassat ein. Mit Etmalen von bis zu 200 Meilen rauschen wir über den atlantischen Ozean, genießen traumhaftes Segeln und lassen uns auch von der Tatsache, dass es gegen Ende nur noch Reis mit Ketchup zu essen gibt, nicht unterkriegen. Und dann tauchen sie auf: die Azoren! Obwohl es im Umkreis von tausend Meilen nichts als Wasser gibt sind wir plötzlich zurück in Europa, können per Handy nach hause telefonieren, bezahlen den Hafenmeister in Euro und das lang herbeigesehnte Doppel-Whopper-Menü mit EC-Karte – denn die Azoren gehören zu Portugal.

Leider haben wir kein Glück mit dem Wetter – das Azorenhoch scheint sich anderswo aufzuhalten. Zwei Wochen lang erkunden wir bei Wind und Regen die Inseln Sao Miguel, Santa Maria, Pico und Faial – die Sonne meldet sich erst im Hafen von Horta, dem berühmten Weltumseglertreff, zurück. Hier verewigen sich seit Jahrzehnten Segelcrews mit Pinsel und Farbe auf den Kaimauern; nach etwas Suchen finden wir das Logo von WALROSS 3, dem Vorgängerschiff des ASV, aus dem Jahr 1988! Wir versehen es mit einem neuen, knallroten Rahmen, um es vor der drohenden Übermalung durch andere zu schützen, und malen lediglich ein kurzes Update darunter. „Unser“ WALROSS 4-Logo pinseln wir dafür drei Tage später auf die noch jungfräuliche Kaimauer der neuen Marina von Penta Delgada – wer weiß, vielleicht haben wir damit auch hier eine neue Tradition gestartet?

Mit freundlicher Unterstützung von Roche Diagnostics Deutschland.
Das Logbuch „Mit Accu-Chek Mobile rund Kap Hoorn“ erschien zuerst auf www.accu-chek-mobile.de